StartseiteStimmen zum BuchHintergründe

"Vater unser in der Hölle" erzählt die Geschichte einer Frau, die Inzest und Gewalt hinter der Fassade einer gutbürgerlichen Familie erlebt. Kinderpornographie und satanistische Rituale folgen. Diese traumatische Kindheit überlebt sie, indem sie sich aufspaltet: sie wird multipel. Doch mit Hilfe ihrer Therapeutin beginnt sie sich aus dem Teufelskreis freizukämpfen.

"Vater unser in der Hölle" fasst außerdem das Wissen zu organisierter Gewalt gegen Kinder und zu Multiplen Persönlichkeiten in lesbarer Form zusammen. Zum ersten Mal 1996 und 2008 in aktualisierter Form.

Im Deutschland der frühen 90er Jahre war das Wissen zu diesem Thema noch gering. Die Betroffenen aber gab es durchaus. Menschen mit multipler Persönlichkeitsstörung -oder dissoziativer Identitätsstörung, wie es heute genannt wird- tauchten in psychosomatischen und psychiatrischen Kliniken auf oder machten ambulante Therapien. Aber die wenigsten von ihnen erhielten die korrekte Diagnose. Einer der Gründe: Menschen mit extremer Gewalterfahrung entwickeln besondere Fähigkeiten und spüren, wem sie ihre Wahrheit anvertrauen können und wem besser nicht. Die meisten testen ihre TherapeutInnen lange. Ein zweiter Grund: Was man nicht kennt, das sieht man auch nicht. Die Mehrzahl der Ärzte in Deutschland wussten oder glaubten nicht, dass es "Multiple" überhaupt gibt. Bestenfalls hatten sie in ihrer Ausbildung gelernt, dass die Multiple Persönlichkeitsstörung eine extrem seltene Erkrankung ist. Sie rechneten nicht damit, jemals jemandem mit MPS gegenüberzusitzen. Daher wurden die Betroffenen nicht erkannt oder gaben sich nicht zu erkennen.

Die niedergelassene Psychotherapeutin Michaela Huber in Kassel war eine der wenigen, die über Erfahrungen und Weiterbildung in diesem Bereich verfügte und schon zu Beginn der 90er Jahre Menschen mit dissoziativen Störungen therapierte.

Michaela Huber war allerdings -um wenigstens den Versuch zu machen, dieses Gerücht aus der Welt zu schaffen- nicht die Therapeutin von Angela Lenz.

Etwa zeitgleich entstand auf Initiative von Monika Veith im Bremer Frauentherapiezentrum der Fortbildungsbereich Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS) mit ersten Vernetzungs-Bemühungen und der Idee eines Rundbriefes zum Thema MPS, der von Hilde Lanzel und Cornelia A. Müller ab 1993 produziert und versandt wurde. 1995 entstand daraus die Initiative "Vielfalt e.V." zur Unterstützung multipler Menschen und als Informationszentrum über "traumabedingte Dissoziation und ihre Ursachen".

Nur wenige Kliniken ließen sich damals auf die Diagnose "MPS" ein. Dazu gehörten die Klinik für psychotherapeutische und psychosomatische Medizin des Ev. Johannes-Krankenhauses in Bielefeld und die Klinik Hohe Mark in Oberursel bei Frankfurt. Die Bielefelder Klinik wurde 1985-2003 von Dr. Luise Reddemann geleitet. In der Klinik Hohe Mark bauten Dr. Christine Rost und Dr. Arne Hofmann von 1994-1996 eine Traumastation auf. Arne Hofmann hatte sich 1991 im Mental Health Institute von Palo Alto/USA bei Dr. Francin Shapiro auf die Behandlung psychisch Traumatisierter spezialisiert und die EMDR-Methode kennengelernt. Heute leitet er das EMDR-Institut Deutschland, ist Mitbegründer der ISSD, der DeGPT, von EMDRIA Europe und Mitglied der Leitlinienkommission zur posttraumatischen Belastungsstörung.

Anfang der 90er Jahre arbeitete Thorsten Becker, Sozialarbeiter und Sozialpädagoge, in der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Hamburg. Dort beriet er Aussteiger aus Sekten und Kulten. Zunehmend begegneten ihm Fälle rituell misshandelter Kinder. Für seine Arbeit mit diesen Kindern erhielt er 1994 den Kinderschutzpreis der Hanse-Merkur Versicherungsgruppe.

1996 gab es nicht viele, die den Mut und die Kenntnisse hatten, "Vater unser in der Hölle" ein Geleitwort auf den Weg zu geben. Vielen machte das Phänomen der rituellen Gewalt in Sekten und Kulten Angst. Manche hielten es außerdem für karriereschädigend, sich allzu engagiert auf einen damals noch sehr umstrittenen Bereich einzulassen.

Angst kann immer noch aufkommen, wenn man die Erinnerungen und Berichte von Überlebenden ritueller Gewalt hört oder liest. Doch -- auch in anderer Hinsicht ist die Situation heute verändert: Das Ausmaß der Gewalt gegen Kinder wird sichtbarer. Die Folgen auch. Gewalttätige Kinder und Jugendliche sind Medienthema. Endlich beginnt eine Debatte darüber, wie die Gewalt in die Jugendlichen gekommen ist. In ihrem Artikel "Tolerierte Täter" findet Caroline Fetscher klare Worte (15.01.08 Tagesspiegel).

Als ich 2007 nachfragte, wer eine Empfehlung für "Vater unser in der Hölle" schreiben würde, war die Resonanz berührend. Auszüge aus vielen Antworten sowie einige Hinweise zu den Verfassern und Verfasserinnen finden Sie auf den folgenden Seiten.


Druckbare Version